Das Geheimnis ist gelüftet: Dr. Alexander Schmalhofer ist neuer Jahn Sportdirektor. Der kürzlich 39 Jahre alt gewordene Fußball-Fachmann übernahm Mitte November die Hauptverantwortung für die Jahn Profis. Damit ging auch eine strukturelle Änderung einher: Philipp Hausner wird fortan die kaufmännisch-administrative und sportliche Geschäftsführung des SSV Jahn übernehmen, Schmalhofer fungiert als Sportdirektor und berichtet direkt an ihn. Der gebürtige Münchner Schmalhofer promovierte neben seiner Laufbahn als Regionalliga-Spieler an der TU München in der Sportwissenschaft, war über mehrere Jahre in verantwortungsvoller Position im RB-Kosmos tätig und ist Absolvent des DFL-/DFB-Zertifikats „Management im Profifußball“. Im ausführlichen Jahnzeit Titelinterview erzählt Schmalhofer von seinen bisherigen Erfahrungen im Spitzenfußball, seinen ersten Eindrücken vom SSV Jahn, seine langfristigen Pläne sowie die ersten Wochen als Jahn Sportdirektor.

Jahnzeit-Redaktion: Du hast die ersten Wochen im Amt als neuer Jahn Sportdirektor hinter dir. Wie ist dein erster Eindruck und wie bilanziert Du diese?
Alexander Schmalhofer: Es war ein sehr intensiver Start, alles andere hätte mich aber auch überrascht. Ich übernehme eine Rolle im Verein, die sehr viel fordert. In diese Rolle möchte ich mich schnellstmöglich einarbeiten. Es stand gleich die Strategieklausur mit allen Abteilungen an, wo ich einen großen Überblick bekommen habe. Ich konnte alle Menschen im Verein treffen und kennenlernen. Das Onboarding war unter anderem von Philipp (Hausner, Anm. Red.) im Detail organisiert und gut durchgetaktet. Mit allen Personen im Sport konnte ich mich mittlerweile auch gut austauschen. Wir haben die Köpfe bereits zusammengesteckt, um zu sehen, wo wir stehen und wo wir gemeinsam hinwollen. Das Schöne, was ich in den ersten Wochen gemerkt habe, ist, dass wir alle das gemeinsame Ziel haben, Punkte langfristig und strategisch anzulegen. Wir wollen zusammen die nächsten Wochen und Monate erfolgreich gestalten.
In welcher Verfassung hast du den SSV Jahn vorgefunden?
Die Prozesse im Sport funktionieren soweit gut. Die wirkenden Leute im Verein holen bereits jetzt viel aus den Möglichkeiten heraus. Es sind Menschen hier, die mit einer großen Leidenschaft und Hingabe an die Arbeit gehen und für ihre Bereiche volle Verantwortung übernehmen. Das ist der erste Eindruck, den ich habe. Ich bin trotzdem noch dabei mir ein umfängliches Bild zu machen, um im nächsten Schritt zu definieren wo ich entsprechendes Verbesserungspotenzial sehe. Dazu habe ich aber auch jetzt schon recht klare Gedanken und ich freue mich darauf, dass dann mit den Kollegen anzupacken.
Die Ergebnisse der letzten Wochen haben sich zunächst stabilisiert. Inwiefern hat dir das deinen Start erleichtert?
Das hat es zu Beginn erleichtert, wobei die letzten beiden Spiele leider nicht so erfolgreich gelaufen sind. Der Fußball ist auch ein Tagesgeschäft. Ich komme aus einer strategischen Richtung und mir ist es wichtig, den Fußball kurz- und langfristig zu denken. Das ist, denke ich, auch das was der SSV Jahn will und braucht. Trotzdem geht es am Ende um das Ergebnis vom Wochenende, darum Spiele zu gewinnen und Punkte zu holen. Das funktioniert im Moment besser als zum Saisonstart. Diese Entwicklung zahlt darauf ein, was ich zuvor gesagt habe, dass viele Abläufe aktuell besser funktionieren. Die Mannschaft & das Trainerteam haben einen guten Spirit und legen eine gute Intensität an den Tag.
Wie schwer ist es, die passende Balance aus Tagesgeschäft und langfristigen Planungen zu finden?
Darum muss es gehen, die richtige Ausgewogenheit zu finden. Dafür gibt es kein Patentrezept. In den verschiedenen Phasen sind andere Herangehensweisen gefordert. Auf der einen Seite muss man kurzfristig denken, handeln und schnell Lösungen für Probleme finden. Auf der anderen Seite gilt es aber auch einen Weg zu finden, sich bewusst rauszunehmen, um die strategischen Themen zu bearbeiten.
„Die Prozesse im Sport funktionieren soweit gut. Die wirkenden Leute im Verein holen bereits jetzt viel aus den Möglichkeiten heraus. Es sind Menschen hier, die mit einer großen Leidenschaft und Hingabe an die Arbeit gehen und für ihre Bereiche volle Verantwortung übernehmen“
Gibt es Vorstellungen und Überzeugungen, die dir besonders wichtig und nicht verhandelbar sind?
Mir ist es wichtig, dass der gesamte Verein ein Verständnis dafür hat, wie wir als SSV Jahn Fußball spielen möchten. Das ist die sportstrategische Basis, an der wir alles ausrichten wollen. Die Spielidee und die Werte des Clubs haben einen Einfluss auf die Ausbildung im Nachwuchs, die Vorbereitung auf Spiele, die Arbeit im Training, das Scouting, die athletischen Ziele, die wir uns setzen und darum, wie wir uns entwickeln wollen. Dieser Prozess wurde im Nachwuchs bereits angestoßen und ich führe ihn nun aus der Perspektive der Profis weiter. Dabei bin ich mit Christian Martin als Leiter der Jahnschmiede im engen Austausch, sodass wir als gesamter Verein in eine gemeinsame Richtung gehen. Viele Inhalte, wofür der Jahn steht, sind die Basis. Ich möchte meine Erfahrungen und Vorstellungen aufbauend einbringen und bin überzeugt, dass wir schnell ein gemeinsames Verständnis erzielen können. Trotzdem wird es seine Zeit dauern, diese Dinge Stück für Stück in die Umsetzung zu bringen.
Damit ist bereits ein Fundament vorhanden…
Absolut. Auf dieser Grundlage kann man aufbauen und entwickeln. Wichtig ist, dass wir eine einheitliche Überzeugung unserer Spielphilosophie haben. Das erleichtert unseren Talenten auch den Übergang von Jahnschmiede zu den Profis. Es geht darum, mich mit meiner Erfahrung aus Sicht der Profis einzubringen und nicht darum, dass ich etwas alleine auf die Beine stellen will. Es geht um den Verein und das größere Ganze und das geht nur gemeinsam. Mir ist wichtig, dass wir im Sport eine einheitliche Sprache sprechen. Das ist ein wesentlicher Punkt. Wir wollen dem treu bleiben, wofür wir stehen und uns entsprechend weiterentwickeln. Das bedeutet, dass wir vielleicht auch mal mutige Entscheidungen treffen, weil wir von dem Weg überzeugt sind.
Welchen Eindruck hast du von der Mannschaft und dem Trainerteam gewinnen können?
Das Trainerteam und auch die Mannschaft haben ein respektvolles, aber auch ehrgeiziges Miteinander. Das ist eine Basis, um erfolgreich zu sein. Die Prozesse laufen gut. Wir brauchen eine Leistungskultur in der es auch mal knallen und lauter werden darf im Training. Es muss der Anspruch sein jeden Tag ein kleines Stückchen besser zu werden. Diesen Zugang gilt es auch in den Jugendleistungsmannschaften einzufordern.
„Mir ist es wichtig, dass der gesamte Verein ein Verständnis dafür hat, wie wir als SSV Jahn Fußball spielen möchten. Das ist die sportstrategische Basis, an der wir alles ausrichten wollen“

Du hattest die Gelegenheit, die letzten Spiele zu verfolgen. Hier war sichtlich eine Entwicklung erkennbar. Welches Bild ergibt sich, wenn du deine Eindrücke von außen und nun von innen übereinanderlegst?
Eine Entwicklung ist definitiv erkennbar. Das sieht man auch an den zuletzt positiven Ergebnissen. Wobei ich es eben nicht nur nach den sportlichen Ergebnissen bewerten will, weil auch beim Auswärtssieg in Aachen (2:0) hatten wir in der einen oder anderen Situation das Quäntchen Glück, das es braucht, um so ein Spiel zu gewinnen. So ehrlich dürfen wir auch sein. Und trotzdem merkt man, dass die Mannschaft in der Phase ist, in der sie reift, weil die Automatismen, die das Trainerteam sehen will, immer mehr verinnerlicht werden. Es ist normal, dass das Zeit braucht und auch Rückschläge wie im Heimspiel gegen Rostock dazu gehören. Gegen Hoffenheim gehen wir wiederum als ein sehr unglücklicher Verlierer vom Platz. Trotzdem ist es sehr wichtig fokussiert zu bleiben und sich nun auf die nächste Aufgabe zu konzentrieren.
Sind das Aspekte, die dich optimistisch stimmen, dass dieser Aufwärtstrend bestehen bleiben kann?
Ja, auf alle Fälle. Die Automatismen und Prinzipien geben Stabilität. Das ist besonders in Phasen wichtig, in denen es auch mal schwieriger wird. Das gehört in dieser Liga dazu. In Stressmomenten im Spiel kann man sich auf diese Spielprinzipien besinnen und unabhängig vom Spielsystem abrufen. Das benötigt auch entsprechende Arbeit im Training und etwas das Michael Wimmer einfordert.
Wie beschreibst Du das Verhältnis zu Chef-Trainer Michael Wimmer und inwiefern stimmt die Sichtweise auf den Fußball überein?
Michael macht einen sehr guten Job und ist jemand, der durch seine Art die Mannschaft mitnimmt und führt. Wir haben einen ähnlichen Zugang, was den Umgang mit Menschen betrifft. Gleichzeitig haben wir bereits intensive Gespräche über unseren Fußball führen können, um eben auszuloten, wie wir ihn sehen. Wir sind sehr ins Detail gegangen und sehen viele Dinge sehr ähnlich. Es ist wichtig, dass wir vertrauensvoll zusammenarbeiten und gerne bringe ich dann auch meine Erfahrungen ein, die ich die letzten Jahre sammeln durfte.
Bei deinem ersten Auswärtsspiel hast Du dich eher zurückgehalten und viel beobachtet. War das die Art, wie du von Anfang an, an die Sache herangehen willst?
Natürlich bin ich immer noch dabei, alles zu beobachten und kennenzulernen. Es war mein erstes Spiel. Gleichzeitig ist der Spieltag kein Zeitpunkt, an dem ich in meiner Rolle groß in Erscheinung treten muss. Es geht darum, dass die Mannschaft die bestmögliche Performance liefern kann. Da will ich mich nicht zu wichtig nehmen.
Welche emotionale Bedeutung hatte dein erstes Spiel als Sportdirektor beim SSV Jahn in Aachen?
Auch wenn ich bereits in größeren Kulissen Spiele gesehen und als Funktionär begleitet habe, war es in Aachen ein emotionaler Moment. Die Position ist nun eine andere und ich stehe mehr im Vordergrund. Das ist in dieser Form neu, aber auch sehr spannend. Ich habe große Lust, auf diese Herausforderung. Ich wollte mir diesen besonderen Moment bewusst nehmen, kurz innehalten und es genießen. Und das mit drei Punkten im Gepäck.
Du durftest gleich einen Auswärtssieg verfolgen. Die Konkurrenz in der 3. Liga ist enorm. Wie kann der SSV Jahn weiterhin bestehen und langfristig erfolgreich sein?
Eine sehr gute Frage, die mich während meiner gesamten Zeit hier beschäftigen wird. Ich bin der Überzeugung, dass die Stärken, die den SSV Jahn ausmachen, auch zukünftig ausmachen sollen. Mein langfristiges Ziel ist es sportlich nachhaltige Arbeit zu machen, also nachhaltige Strukturen und Konzepte zu etablieren um eine gewisse Kontinuität für den Jahn zu erreichen. Ich möchte in einigen Bereichen besser sein als andere und uns so einen kleinen Vorsprung erarbeiten.

Als Sportdirektor stehst du für viele Leute in der Verantwortung, einen ausgewogenen Kader zusammenzustellen. Inwieweit trifft das zu und wie wichtig ist hier die Abstimmung und Zusammenarbeit im Scouting?
Das Kadermanagement ist natürlich ein wesentlicher Bereich meiner Rolle. In diesem Zuge bin ich mit unserem Chefscout Ilija Dzepina sowie Basti Göller in einem sehr engen Austausch. Auch der Trainer spielt bei der Kaderplanung eine essentielle Rolle. Mir ist Teamarbeit hier ebenfalls wichtig, auch wenn ich es nicht scheue Entscheidungen zu treffen. Diese treffe ich aber gerne auf einer gemeinsamen Basis. Jede Perspektive gibt mir zusätzlichen Input und Informationen für die Bewertung einer Situation.
Die Zeit bis zum Wintertransferfenster ist knapp bemessen. Wie schätzt du den Kader ein und siehst du akuten Handlungsbedarf?
Ja das stimmt. Ich befinde mich hinsichtlich der Planungen für die Rückrunde im permanenten Austausch mit dem Trainerteam. Zuletzt hat der Kader immer wieder gezeigt, welche Qualität er besitzt. Die Jungs sind in der Lage, unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen. Alles Weitere muss man abwarten und hängen von vielen Faktoren ab. Es ist wenig Zeit und das Wintertransferfenster ist immer speziell. Nur wenn wir überzeugt sind, dass uns ein Spieler besser machen kann, wollen wir handeln.
Wie kann ein Jahn Kader der Zukunft aussehen?
Es geht darum eine gute Mischung zu haben aus Spielern, die Erfahrung mitbringen und Führung übernehmen können. Es benötigt Spieler, die auf ihrem höchsten Leistungsvermögen sind, aber auch Spieler, die jünger sind und ihr Potenzial erst noch zeigen können. Idealerweise stammen die meisten jungen Spieler aus der Jahnschmiede. Das ist unser Ziel. Ein Jahn Kader der Zukunft braucht eine Ausgewogenheit und alle Komponenten sollten vertreten sein, um unser Spiel auf den Platz zu bringen
Welche Rolle spielt die Persönlichkeit?
Persönlichkeit spielt eine wesentliche Rolle. „Mentalität schlägt Talent“ ist ein bekanntes Zitat, das mir bei der Einschätzung von Spielern wichtig ist. Als Profifußballer und Leistungssportler muss es darum gehen, seinen Weg nie als beendet anzusehen. Das bedeutet jeden Tag mehr zu arbeiten als andere. Auch wenn es ungemütlich wird, geht es darum resilient zu sein und mit dem Druck umgehen zu können. Das ist für mich Mentalität und Persönlichkeit. Das gilt für Spieler die bei uns sind sowie potentielle Neuzugänge. Erfolgreich kann im Fußball nur das Team sein und nicht der Einzelne.










































































































































































































